Erfahrungsbericht: Apollonia

Wenn ich einen Projekttag durchführe, bin ich jedes Mal aufs Neue etwas aufgeregt. Ich weiß nämlich nie genau was mich erwartet. Alle Schulen, alle Schüler*innen und alle Lehrkräfte sind verschieden. Um nichts anderes soll es heute auch bei unserem KidsCourage Projekttag „Anders sein gewinnt!“ gehen.

Wenn ich zu einer Grundschule fahre, an der ich noch nicht war, muss ich mich auf alles gefasst machen. Werden sich die Lehrkräfte raushalten, mitmachen oder gar einmischen? Hat sich die Klasse im Vorfeld schon mit den Kinderrechten beschäftigt? Und in wie weit sind die Schüler*innen bereit mit mir zu arbeiten? Alles Fragen, die mir im Laufe des Tages noch beantwortet werden. Für heute nehme ich mir vor, dass jedes Kind nach Hause geht und erzählen kann, was Kinderrechte sind und wofür sie aufgestellt wurden. Während ich mit meiner Co Referent*in den Raum einrichte, machen wir uns einen Plan, um ein wenig Struktur für den Tag zu bekommen.

Es dauert nicht lange bis die ersten Kinder in ihren Klassenraum kommen. Der Stuhlkreis, die Plakate an den Wänden und ja auch wir selber verwirren die Kinder.

Die Kinder:„Was ist das?“

 Wir: „Plakate mit Fragen, die ihr beantworten könnt. Schau mal hier steht zum Beispiel „Was wäre wenn wir alle gleich wären?“

Die Kinder: „Wer seit ihr?“

Wir: „Wir sind Teamer*innen von KidsCourage und werden heute mit euch den Tag verbringen“

und

 „Was machen wir? “

 „Wir werden uns heute mit Kinderrechten, also mit den Rechten die ihr habt, auseinandersetzen. Uns anschauen welche Kinderrechte es so gibt, warum sie wichtig sind und warum es Rechte NUR für Kinder gibt. Wir werden uns alle besser kennenlernen, Spiele spielen, malen und einen kurzen Film schauen. Außerdem werden wir noch ein paar Wörter wie Gleichberechtigung und Diskriminierung kennenlernen und besprechen!“

Dieses Spiel, spiele ich jedes Mal aufs Neue gern mit. Denn auch wenn die ersten Fragen ähnlich sein mögen, ist doch kein Projekttag wie der andere.

Nach einer kleinen Vorstellung unsererseits, kann der Projekttag nun auch für die Schüler*innen beginnen. Wir spielen Kennlernspiele, um ein Gefühl für die anwesende Gruppe zu bekommen. Weiter geht es dann mit verschiedenen Methoden, um einen thematischen Einstieg zu schaffen. Erst beschäftigen wir uns mit unseren Stärken und dem Gegensatz zwischen dem was wir über uns wissen und denken und dem was andere glauben über uns zu wissen. Je nachdem wie die Klasse drauf ist, werden die Ergebnisse in großen oder kleinen Gruppen besprochen.

 Ich liebe es, wie die Schüler*innen aufspringen und jubeln, wenn ich ansage, dass wir nun einen Kurzfilm gucken werden. Dieser handelt von einem kleinen Lamm, dass trotz einiger Schwierigkeiten so sein kann wie es ist. Selbstverständlich wird der Film im Anschluss diskutiert. Ich frage die Schüler*innen was so besonders an den Lämmern im Film ist und erhalte die Antwort, dass alle Lämmer verschieden sind, weil sie unterschiedliche Tierlaute von sich geben. Das eine Lamm muht wie eine Kuh, ein anderes kreischt „kikiriki“. „Alle werden von ihren Eltern geliebt, auch wenn alle Lämmchen verschieden sind. Alle Lämmchen sind verschieden und es ist okay anders zu sein“, ist die Antwort auf meine Frage, ob die Lämmer von ihren Eltern geliebt werden, obwohl sie anfangs nicht die Erwartungen ihrer Eltern erfüllen. Wir klären Begriffe wie „Diskriminierung“ und „Toleranz“, arbeiten mit den Kindern an ihren Rechten und haben meistens alle Spaß dabei.

Die meisten Methoden sind spielerisch aufgebaut. Wenn wir die Ergebnisse besprechen fällt den Kindern auf, dass das Spiel ja noch mehr als Spaß mit sich bringt. Bei dem „Kindertheater“ zum Beispiel sollen die Schüler*innen eine Situation nachspielen, in der ein Kinderrecht gebrochen wird und dann eine mögliche Reaktion zur Deeskalation der Situation vorschlagen. Sie besprechen sich anfangs wie das Stück ablaufen soll und diskutieren in einer Kleingruppe wie die beste Reaktion ist. Dabei tauschen sie viele wertvolle Erfahrungen aus. „Das funktioniert so gar nicht, weil mir dann immer gesagt wird, dass ich in mein Zimmer gehen soll“, „Meine Mama würde mir das nur erlauben wenn ich dies und das mache, aber das will ich gar nicht“ und „Ja, bei mir auch“ sind Kommentare die ich aufschnappe. Schlussendlich bei der großen Aufführung bekommt die restliche Klasse das Theaterstück jeder Gruppe vorgestellt und muss raten um welches Kinderrecht es sich wohl handelt. Die Kinder arbeiten während des Arbeitsprozesses selbständig und sind vielleicht auch deshalb sehr begeistert. Ich finde es immer wieder aufs Neue sehr schön wie die Kinder einen kleinen Enthusiasmus-Schub bekommen. Wir als Teamer*innen helfen den Kleingruppen, die Hilfe haben wollen und bauen die Theaterbühne auf. Die meisten Klassen kennen so viel Selbstbestimmung während eines Schultages nicht.

Der interessanteste Punkt für mich ist jedoch; die gemeinsame Auswertung des Projekttages. Es ist für KidsCourage und auch für mich selber sehr hilfreich zu hören, was den Kindern am meisten gefallen hat, was sie nicht so mochten und was ich beim nächsten Mal mitbedenken sollte. Der Film und das Theaterstück, so erfahre ich, haben den Kindern gut gefallen. Ich selber merkte heute stark wie viele Dinge und Situation so junge Kinder schon mitbekommen und prägen. Das nächste Mal, denke ich bei mir, werde ich wahrscheinlich nicht den Kurzfilm von Anfang an ankündigen, weil die Schüler*innen dachten, dass wir einen 90 Minuten Film schauen und sich wunderten, warum der Film nach 5 min. schon vorbei war. Ich möchte keine Erwartungen zu hoch setzen und dann Kinder enttäuschen. Das nächste Mal wird der Film eine große Überraschung sein, die nicht erwartet wurde. Durch das Feedback können die Projekttage nur noch besser werden.

 Nachdem die Kinder gegangen sind, packen wir unsere Sachen zusammen und besprechen den Projekttag zu zweit untereinander. Jedes Mal wenn ich nach Hause komme, muss ich mich erstmal ausruhen. Ich freue mich jedoch auch über die aufgeschnappten Aussagen der Kinder. „Ich habe gelernt, dass Mann und Mann sich lieben können und sich auch in derselben Kabine im Schwimmbad umziehen dürfen“ ist mit die schönste Aussage die ich mitbekommen habe, denn das ist es was ich den Kindern gerne vermitteln möchte „Du bist okay so wie du bist. Das ist dein gutes Recht.“ Wahrscheinlich wird das Kind sich nicht mehr wundern, wenn zwei Männer sich im Schwimmbad küssen. Der Gedanke freut mich sehr.

Nicht nur die Schüler*innen lernen an einem Projekttag viel. Ich auch.